Das Leben ist ein Traum, und Erfüllung gibt es nur im Tod. Oder geht es in Emir Kusturicas “Arizona Dream“ doch eher um Liebe?

In einem Traum zweier Frauen gefangen zu sein, ist der irrsinnigste Sturm, in den man geraten kann. Die Schlacht ist niemals ein Kampf zwischen Gut und Böse, sondern zwischen schwächer und stärker.

Und der Schwächere schnappt immer verzweifelt nach Luft. Man kann seine Füße verwurzeln wie ein Baum, weil die Liebe eine eigene Kraft ist. Aber bewegt man sich einen Schritt zur Seite, wird man selbst der Sturm.

Commedia Futura unternimmt das Wagnis, diesen eminent filmischen Film für das Theater zu adaptieren. Regisseur Peter Lüder schildert fünf Personen auf der Suche nachdem richtigen - oder auch nur schöneren - Leben im falschen. Es geht um die Unverzichtbarkeit von Utopien ebenso wie um die Unvermeidlichkeit des Scheiterns.

 

Gefördert von der Stadt Hannover, dem Land Niedersachsen, der Niedersächsischen Lottostiftung und dem Fonds Darstellende Künste.


Premiere am 29. Nov 2003,
insgesamt 21 Aufführungen zwischen dem 29. Nov 2003 und 13. Mär 2004

Ensemble


Stück: Emir Kusturica
Inszenierung: Peter Lüder
Regieassistenz: Greta Pruisken
Dramaturgie: Peter Piontek
Bühnenbild: Dirk Immich, Cord Gerdes
Kostüme: Maren Lepping
Kostümassistenz: Katinka Van Volxem
Musik: Dirk Bahl
Videos: Volker Schreiner
Lichtdesign: Wolfgang Denker

Hannoversche Allgemeine Zeitung | 01.12.2003
Gescheiterte Träume - Die Commedia Futura spielt Emir Kusturicas „Arizona Dream" in der Eisfabrik Hannover
von Kathrin Götze

Bewegung. Das Herzstück des amerikanischen Traums. Ob mit dem Auto oder im Flugzeug - Hauptsache, weg vom Hier und Jetzt. Doch wer sich - zumindest in der Provinz - wirklich auf den Weg macht, ist zum Scheitern verurteilt. Das ist die Quintessenz von Emir Kusturicas Film „Arizona Dream“, den Regisseur Peter Lüder jetzt mit der „Commedia Futura“ auf die Bühne gebracht hat. Am Sonnabend war Premiere in der Eisfabrik, dem kuscheligen Hinterhoftheater in Hannovers Südstadt. Die Zuschauer genießen die Nähe zur Bühne. Sie können jederzeit jeden Darsteller sozusagen heranzoomen - eine Situation, die noch über das Erlebnis im Kino hinausgeht. Dort muss man sich mit der Kameraperspektive abfinden. Dramaturg Peter Piontek hat die Handlung des Films behutsam gestrafft: Der junge Träumer Axel (Sven Philipp) kommt aus New York zu seinem Onkel Leo (Christoph Linder) in die Provinz. Leo ist Autoverkäufer und wünscht sich, dass Axel in seine Fußstapfen tritt. Im Autosalon begegnet Axel der lebenslustigen Witwe Elaine (Ulla Wagener) und deren Stieftochter Grace (Anika Kühl). Mit Hilfe seines Freundes Paul (Stephan Fiedler) beginnt Axel ein Verhältnis mit der versponnenen 40-Jährigen. Während er Elaine hilft, eine Flugmaschine zu bauen, verliebt er sich in Grace. Doch diese trägt sich mit Selbstmordplänen … Die Bühne ist mit Sand ausgestreut, zwischen einem geblümten Sofa und dem Heck eines schrottreifen Cadillacs (Bühnenbild: Dirk Immich) verwebt Regisseur Lüder die Handlung mit inneren Dialogen, die Axel mit einem Eskimo führt. Farbiges Licht, Videosequenzen und sachte Tex-Mex-Musik unterstützen die träumerische Atmosphäre. Die Leichtigkeit der Anfangssequenzen tragen auch die Akteure gekonnt - allen voran Ulla Wagener, deren lässig gestreute Sätze sogar Versprecher verkraften. Mit Szenenapplaus quittiert das Publikum Stephan Fiedlers aberwitzige Wiedergabe der Flugzeugszene aus Alfred Hitchcocks „Der unsichtbare Dritte“ - Paul träumt davon, Schauspieler zu werden. Erst als nach Leos Tod alles schwerer wird, schwindet die schöne Natürlichkeit der Darsteller. Hauptakteur Sven Philipp wirkt in manchen Momenten geradezu überpräsent. Doch als er im Schlussmonolog über das Scheitern sinniert, wird er wieder zu dem Charakter, den er zwischendurch nur gespielt hat. Langer Applaus.

Neue Presse | 01.12.2003
Eskimos stapfen durch die Eisfabrik
von Wot

Wunsch, Wahn und Wirklichkeit - das erkundet die Commedia Futura mit ihrer neuen Theaterproduktion. In der Eisfabrik hatte „Arizona Dream" nach dem Film vom Emir Kusturica Premiere. Fünf Menschen treffen aufeinander, und allesamt haben sie einen Dachschaden -hier ist jemand unermüdlich mit Flugmaschinen zugange, dort möchte eine Frau als Schildkröte wiedergeboren werden. Hinter all dem sonderbaren Gebaren steckt die Suche nach Halt im Leben. Und wer suchet, der findet keineswegs immer: Der „Arizona Dream" wird zum Albtraum. Das Geschehen entfernt sich ganz gern mal vom klassischen Realismus. So stapfen zwischendurch Eskimos durch den großen Sandkasten mit Sofa, Liegestuhl und Cadillac. Regisseur Peter Lüder lässt nicht zu viel Schwermut aufkommen, auf den krachvollen Zuschauerrängen wird viel gelacht. Vergleiche mit der Filmbesetzung sollte man stecken lassen. Commedia Futura hat zwar weder Johnny Depp noch Faye Du-naway engagiert, aber ein stimmiges Quintett zusammenbekommen. Ulla Wa-geners Darstellung der überkandidelten Elaine gerät schwungvoll. Stephan Fiedler als Paul erregt mit seiner Nachempfindung der berühmten Flugzeug-Szene aus Hitch-cocks „Der unsichtbare Dritte" Heiterkeit. Sven Philipp besticht mit gebrochenem Charme, Christoph Linder bringt als Leo gedämpfte Töne ins Spiel, und Anika Kühl überzeugt als hysterisch-depressive Grace am meisten in der anrührenden Schlussphase. Langer und lauter Applaus.

Radio Flora | 08.06.2022
Arizona Dream
von Gerd Bösenberg

 

 

Die Commedia Futura hat mit ihrer neuesten Premiere wiederum in die Spielfilmkiste gegriffen. Diesmal ist sie auf „Arrizona Dream“ gestoßen, einen Film des bosnischen Regisseurs Emir Kusturica von 1933. Theaterregisseur Peter Lüder und der Dramaturg Peter Piontek haben die Filmhandlung behutsam gestrafft, dagegen aber Zitate aus anderen Filmen eingebracht, so zum Beispiel aus Hitchcocks „Der unsichtbare Dritte“. Sie sind aber nicht an dem Dilemma aller Filmadaptionen vorbeigekommen, daß sich die Schnellen Schnitte des Films nur ungenau auf die Bühne übertragen lassen. Deshalb wirkt die Bühnenversion in der Commedia Futura stellenweise etwas geruhsam und betulich, was den Gesamteindruck des Stückes, witzig zu sein und den American Way of Live kräftig zu überspitzen, nichts nimmt. Der Regisseur hat schöne Westernmusik gefunden und schöne, inzwischen zum Markenzeichen der Commedia gewordene Videosequenzen eingebaut. Das macht sich gut bei diesem Stoff, bei dem die Grenze zwischen Traum-Wunsch und Wirklichkeit total durcheinander gerät. Im Theater der Eisfabrik sitzt man ziemlich hautnah bei den Schauspielerinnen und Schauspielern. Das ist im Grunde fantastisch, wirft aber hier Probleme auf, wenn die Übergänge vom puren Realismus mit Revolversznenen zu den ohnehin scheiternden Träumereien nicht ausgespielt werden können. Fünf Menschen treffen in einer Villa in der Wüste Arizonas aufeinander. Sie sind allesamt Unrealistisch überkandidelt und meschugge. Sie sind auf der Suche nach einem Halt im Leben und meinen, die Liebe wird’s schon richten. Lieben kräftigt und ruhen sich auch darin aus. Im Endeffekt führt die Reise in die Wüste ins Desaster. Zwei Tote sind zu beklagen. Der zu Anfang ziemlich verklemmte Typ Axel (Sven Phillip) trifft auf die Lebenslustige Witwe Elaine (40) (Ulla Wagner) und deren hübsche, aber hysterische depressive Stieftochter Grace (20) (Anika Kühl). Axel träumt den Männertraum, zwei Frauen zu haben, in jede sich ein bißchen zu verlieben, nur nicht zu viel, und macht Mutter und Tochter damit zu Rivalinnen. Da aber Liebe alles auf den Kopf stellen kann, demoliert er beide Beziehungen. Zumal Träume ja ihre eigene Logik entwickeln und sich gern verselbstständigen. Farbiges Licht, märchenhafte Videos und leise Musik – manchmal leider zu viel peppen die träumerischen Sequenzen auf. Dann knallt es. Tochter Grace hat sich umgebracht. Erwähnt werden müssen noch die beiden guten Charakterstudien von Stephan Fiedler und Christoph Linder. Extensiver und langer Applaus zum Schluß für die fünf Acteure. Interessantes Theater in der Commedia Futura. Gehen sie mal hin.

 

Arizona Dream
Stück von Peter Lüder

nach dem Film von Emir Kusturica spielt die Commedia Futura der Eisfabrik in der Südstadt.

 

Gerd Bösenberg

 

Plakat:
Arizona Dream
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