K. ewiger Protagonist des Scheiterns, erlebt in dieser, mit Gegensätzen spielenden Doppelinszenierung, eine radikale Modernisierung ... (Stuttgarter Nachrichten)

Den visionären Blick hat er nur bei Blitzlicht (Kafka über Kafka).

Doch seine abstehenden Ohren und der akkurate Mittelscheitel sind längst ins kollektive Unbewusste eingedrungen: Kafkas Werk ist theatralisch, aktuell, von alttestamentarischer Wucht und leichtfüßigem Witz, auf vielen Ebenen lesbar – eine Herausforderung für das Theater.

Commedia hat aus den Motiven seiner Erzählungen eine eigene Geschichte entwickelt (nach: »Brief an den Vater«, »Der Bau«, »Der Prozeß« u.a.). »K.«, Meister des Baus, in den er sich mehr und mehr verkriecht, begegnet darin seinem Vater und steht schließlich als Angeklagter vor dem Tribunal seiner eigenen Träume.

 

Gefördert von der Kulturstiftung der Stadt Hildesheim, der Stadt Hannover, dem Land Niedersachsen und der Sparda Bank.

 

 


Premiere am 29. Apr 1994,
insgesamt 20 Aufführungen zwischen dem 29. Apr 1994 und 19. Jun 1994

Ensemble


Konzept: Peter Piontek, Wolfgang A. Piontek
Inszenierung: Wolfgang A. Piontek, Zwaantje de Vries
Regieassistenz: Michael Rösel
Bühne: Wolfgang A. Piontek
Kostüme: Heike Schröder
Musik: Malte Preuß
Lichtdesign: Wolfgang Denker

Hannoversche Allgemeine Zeitung | 09.05.1994
Wenn Herr K. zweimal kommt
von Mathias Klein

Warm ist es in der Fabrikhalle nicht. Aber das muss wohl so sein, diente das Gebäude doch einst als Eisfabrik. Kein Wunder, dass das Bühnengeschehen hier durch eine frostige Atmosphäre gekennzeichnet ist. Der Mann, der sich da als Landvermesser ausgibt, aber mit seinem Schlafsack unter dem Arm eher den Eindruck eines gepflegten Landstreichers macht, hat es schwer. In dem Dorf vor den unüberwindlichen Schlossmauern will man ihn nicht anerkennen und erst recht nicht in die verschworene Gemeinschaft aufnehmen, selbst mit seinem Diktiergerät kann er bei den Leuten keinen Eindruck machen, mit vier Schauspielern hat das Theater Mahagoni aus Hildesheim Franz Kafkas Roman „Das Schloss“ in Szene gesetzt.

Die kahle Halle der Eisfabrik bietet der Gruppe unter Joachim von Burchards und Kathrin Krumbeins Leitung den passenden Raum. Die Ausstattung ist spärlich: Eine Bank, die Landvermesser zum Schlafen benutzt. Ein riesiger Stapel aus Telefonbüchern, die erst Akten sein sollen, dann aber auch als Schlafunterlage dienen. Und ein Wirtshaustisch, den der Gemeindevorsteher auch als Rückenlehne benutzt. Die meisten Szenen vom „Schloss“ werden von zwei Musikern auf der Empore (mit Bratsche, Posaune, Marimbaphon und Percussion) begleitet, dazu wird gesprochen und geschrien, geliebt und geschossen. Die Schauspieler wechseln ständig die Rollen, ohne Verwechslungsgefahr - bis der Landvermesser in dem Telefonbuchstapel zusammenbricht.

Das ist der erste Teil des Projekts „K.“, dass das Theater Mahagoni und Commedia Futura aus Hannover an einem Abend auf die Bühne gebracht haben, zweimal Kafka hintereinander - und dennoch wird`s nicht zuviel. Nicht nur, weil die zwei Gruppen inhaltlich unterschiedliche Ansatzpunkte haben, sondern auch, weil ihr Theaterspiel völlig verschieden ist, Mahagoni bevorzugt das konventionelle Sprechtheater, während Commedia Futura Schauspiel, Bewegung, Gesang und Musik in ihrer Interpretation (Inszenierung: Wolfgang A. Piontek und Zwaantje de Vries) miteinander vermischt. Dabei entstehen zum Teil faszinierende Bewegungsbilder. Eingekeilt von zwölf Tischen sind Kopf und Rücken eines Mannes zu sehen. Bald schon verschieben sich einzelne Tische. Drei Frauen und ein Mann kriechen darunter hervor. Eine der Frauen bedeckt eine Holzplatte mit einer Recke und tanzt, sich mit dem Tisch drehend, davon. Dahinter ist im Schwarzen Saal der Eisfabrik die graue Kulisse einer futuristischen Stadt aufgebaut, mit Türmen, Säulen, einer Brücke und Fenstern. Von hier können K.s Mutter und Vater strafend blicken, wenn sich ihr Sohn mit einer Geliebten sündig über den Boden rollt.

Zwischendurch wird in einer skandinavischen Sprache gesungen, hält der Vater (Axel Eichenberg) dem Sohn (Wilfried Poerschke) einen (nutzlosen) Moralvortrag, und macht sich der Sohn, immer irgendwie abwesend, seine eigenen Gedanken und Notizen. Die farbigen Kostüme in der grauen Szenerie unterstützen die Wirkung der Bewegungen - ein gelungener Kafka-Abend.

 

 

 

Neue Presse | 03.05.1994
Grelle Fummel, seelenschwere Sätze in einem schwarzen Saal
von Siegfried Barth

Zweimal Kafka an einem Abend, dass ist schwere Kost. ln der Eisfabrik wird sie so aufgetragen, dass sie verkraftbar bleibt. Zuerst die Commedia Futura im Schwarzen Saal mit einer, auch wenn die Damen grelle Fummel tragen, wahrhaft schwarzen Inszenierung von Wolfgang Piontek und Zwaantje de Vries. Die einsame Existenz des Josef K. eingeklemmt in einem Schachbrett aus zwölf quadratischen Tischen - ein knall hartes Raster, dem er anfangs entfliehen kann, das ihn am Schluss wieder einfängt.

Dieses Rahmenbild ist stark, doch zwischen Anfang und Ende hängt vieles durch. Josef K. (Wilfried Poerschke) mischt ein Sturm-und-Drang-Bibberpathos in eine sich sonst so modern gebärdende Inszenierung, die eine Art Tanztheaterszenarium, mit Kafka-Zitaten aufmischt. Zu wenig um sie als Literatur wirken zu lassen, aber auch zuviel, um als beiläufige Zutat eines bewegten Ereignistheaters überhört zu werden.

Durchweg ist der Sprechton zu hoch gestimmt und angespannt, wie es öfter passiert, wenn auf freien Bühnen Staatsmimentöne gesprochen werden sollen, während die Vollprofis doch eher darum ringen, diese Berufskrankheit wieder abzuschütteln. Diese bemühte Theaterhaftigkeit äußert sich auch in einem oft ratlos wirkenden Bewegungsdrang, der in allerlei schräge, verrenkte, oft komische Posen mündet. Ein paar seelenschwere Sätze von K., dann werden wieder Tische geschoben und geschwenkt, mit einer ungebrochenen Ernsthaftigkeit, die diese Produktion so lähmend,ja quälend macht. Wie auch immer, das Premierenpublikum hat zur Pause heftig applaudiert, aber zum Schluss noch heftiger.

Bis dahin hatten sie eine vielfarbige szenische Groteske erlebt, eng angelehnt an Kafkas Roman „Das Schloss", doch das Hildesheimer Theater Mahagoni hat sich trotz aller Texttreue weit hinausgelehnt, was die Interpretation betrifft. Die Geschichte des Landvermessers K., dem eine undurchschaubare Bürokratie Identität und Lebensrecht verweigert, reizt viele Register des absurden Theaters aus, lässt Raum für Clownerien von der sarkastischen Art, selbst Show-Elemente werden nicht geschaut. Albrecht Hirche kommt anfangs wie ein Held aus Hollywood daher, sein Notizbuch ist das Diktaphon, bewaffnet ist er auch. Das Mahagoni-Theater bewältigt die große Spannweite der Show (Inszenierung: Joachim von Burchard und Kathrin Krumbein) mit präziser Sprache und Aktion, Pointen kommend ebenso zielsicher daher wie die Momente des Entsetzens.

Ein Theater-Paradox läßt sich beobachten: Ernsthaftigkeit stellt sich erst ein, wenn man nicht zu sehr darauf aus ist. lm Kontrast zu bösen Scherzen entfaltet sich mehr Intensität als in einer Produktion, die, wie die vorangegangene, nur eine Stimmungsfarbe hat.

 

 

 

Plakat:
K.
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